Darf man das?
Nimm dir mal ein paar Minuten, um die folgenden Fragen zu beantworten:
- Was ist das Krasseste, was du je zu Gott gesagt hast?
- Hast du schon mal mit Gott “gekämpft”?
- Hast du Gott schon mal wirklich Vorwürfe gemacht?
- Ihn angeschrien? Geweint?
Hm. Ist das eigentlich ok? Dürfen wir so mit Gott reden?
Ein Experte für diese Frage dürfte Jeremia sein. Er hat ein ganzes Buch geschrieben, das Klagelieder heißt und wird auch “weinender Prophet” genannt – weil er so viel leidet: Wegen des Schicksals, das sein Volk treffen soll, wegen des Leids, das er selbst erlebt, weil er Gott nicht versteht, weil er Menschen nicht versteht, weil er im Gefängnis sitzt, weil er in eine Zisterne geworfen wurde, weil ihn das Elend und der Starrsinn anderer Leute verbittert. Jeremia kommt mehr als einmal an seine Grenzen. Und macht das auch deutlich: “Ich wurde müde, es auszuhalten; ja, ich kann es nicht” (Jeremia 20,9).
Mehr als einmal geht Jeremia mit seinen Emotionen zu Gott. Ganz zu Beginn seiner Aufzeichnungen sagt er einen Satz, der uns helfen kann, das zu verstehen. Und der uns helfen kann, selbst mit unseren Emotionen zu Gott zu kommen. Als Jeremia einmal völlig am Boden ist, sagt er: „Herr, du würdest immer recht behalten, wenn ich mit dir streiten wollte. Trotzdem will ich einige Rechtsfragen mit dir bereden.“ (Jeremia 12,1a).
Und dann legt er los.
Das will ich von Jeremia lernen. Ich will Gott ehrlich sagen, wie es mir geht, und ihm meine Fragen und meine Verzweiflung bringen. Ungeschminkt. Ehrlich. Verletzlich. Ohne Angst. Wie kannst du nur überall versprechen, dass du Frieden bringst – aber meine Freundin, die ihn so sehr sucht, verweigerst du ihn? Gott, ich hasse Krebs, und ich hasse es, dass wir in einer Welt leben, in der du nichts dagegen unternimmst.
Aber ich will mir von Jeremia auch abschauen, mit welcher Einstellung er zu Gott kommt. Jeremia bringt das Fazit quasi direkt am Anfang. Er bekennt: Gott, letztlich bist du Gott. Du bist viel größer als ich. Und du machst alles richtig – auch wenn es sich für mich nicht so anfühlt. Und dann kommt das ‚Trotzdem‘.